Sonntag, 13. April 2014

222 Tage hinter mir, 143 Tage vor mir.

32 Wochen, 222 Tage, 5328 Stunden. So viel Zeit habe ich hier schon verbracht.
Es ist aber nicht so, dass ich die Tage zähle, bis ich wieder zurück fliege ;) die Strichliste ist nur ein Späßchen. Ich bin so froh, dass ich noch knapp 5 Monate habe.
Über den "Halbjahrespunkt" hinauszukommen ist wirklich eine Erfahrung. Die ersten sechs Monate waren nicht unbedingt wie Urlaub, standen aber im Zeichen von Zurechtkommen, Einleben, die Umgebung kennen lernen, Menschen kennen lernen. Das merkt man erst jetzt, wenn man eingelebt ist und zurück schaut - ich dachte nämlich die ganze Zeit in den ersten Monaten, dass ich schon angekommen bin. Dafür braucht es in Wahrheit aber länger, wie ich jetzt glaube. Aus dem Grund bin ich auch froh, mich für ein ganzes Jahr entschieden zu haben.
Ich fühle mich jetzt sicherer (auch wenn ich aufpassen muss, dass ich mich nicht zu sicher fühle..), und lebe mein Leben hier mehr so, dass ich vieles schon gewöhnt bin und kaum noch Dinge zum ersten Mal mache. Deshalb habe ich auch länger nicht mehr geschrieben - das meiste habe ich irgendwann schon einmal im Blog festgehalten.
Es ist nicht mehr alles so aufregend wie am Anfang, aber ich fühle mich sehr wohl. Kapstadt ist so unglaublich schön, lebenswert, liebenswert, entspannt... mir wird schon ganz anders wenn ich an den Abschied denke! Aber so weit in die Zukunft muss ich ja im Moment zum Glück noch nicht schauen.
 Die Genießerzeit ist aber immer noch nicht vorbei :D In der Sushi Factory haben wir jetzt den uuultimativen Sushi Ort gefunden. Sieht aus wie Kunst, ist aber essbar.

Letztes Wochenende habe ich spontan einen Trip nach Oudtshoorn gemacht, der Ort mit den vielen Straußen mitten in der Klein Karoo Wüste. Dort fand ein Kunstfestival statt, bei dem es ganz viele Theater- und Tanzaufführungen, Konzerte und Gallerien zu bestaunen gab.
Ich habe einen Intercape Reisebus genommen, was echt eine gute Erfahrung war. Obwohl es 8 Stunden gedauert hat, war die Fahrt sehr angenehm. Ich hatte mich mit Zeitschriften und Proviant gerüstet, habe mich mit ein paar Leuten unterhalten, einen Film geschaut und geschlafen. Es gab sogar eine Stewardess, bzw. Reisebegleiterin die einen mit Kaffee versorgt hat. Insgesamt 30 Euro.
Ein wenig außerhalb von Oudtshoorn, in der Wüste, fand "Land van Skedels" statt - ein Stück über den Krieg zwischen Engländern und Holländern in Südafrika, mit Theater-, Tanz- und Gesangselementen, alles im Freien. Das war richtig spannend, allerdings auf Afrikaans- ich habe also die Texte nicht verstanden, aber alles andere ;) Ich kannte Nceba, der bei Dance for All arbeitet und dort mitgetanzt hat, und seine Freunde, so dass ich vorher sozusagen backstage dabei sein konnte und die ganze Crew kennen lernen durfte.
Der Schaumbrunnen vor Al Capone (ab und zu ist da auch jemand reingesprungen)
Abend sind wir in "Al Capone" feiern gewesen, wo sich die Künstler des Festivals treffen. Dort ist bis Mitternacht Live Musik und dann Clubmusik vom DJ. Wir hatten viel Spaß, und ich habe soo viele Leute kennen gelernt.
Unter anderem den Schauspieler von Four Corners, ein neuer südafrikanischer Film über die Bandenkriege in den Townships von Kapstadt. Und die Sängerin von Freshlyground :)
Vuyo, ich und Nceba

Am nächsten Tag habe ich mir das ganze Festivalgelände einmal angeschaut. Es gab viel zu sehen, viele Märkte und Essensstände und sogar Achterbahnen. Überall waren Aufführungen, Musik und Kunstausstellungen. Abgesehen davon, dass alles auf Afrikaans war und das Festival wirklich null auf internationale Gäste ausgerichtet war, war alles sehr spaßig und klasse.
Abends gab es wieder "Land van Skedels". Diesmal habe ich noch etwas mehr verstanden, worum es ging und was mit dem Stück erreicht werden sollte. Unter anderem war ein Aspekt der Message, dass Schwarze einen Nebenrolle gespielt haben - sowohl im Stück als auch in der grausamen Geschichte der Kolonisierung. Sie waren diejenigen, die "schmutzige" Arbeiten verrichtet haben, deren Kultur als 'niedriger' betrachtet wurde und die kaum in den Geschichtsbüchern erwähnt werden. Während die Briten und die Buren sich um Südafrika stritten, wurden die eigentlichen Einwohner des Landes übergangen.
Dies wurde in dem Stück sehr deutlich gemacht, als am Ende die schwarzen Tänzer mit wütenden Blicken und Rufen direkt vor der ersten Reihe standen und den weißen Zuschauern in ihrer eigenen Sprache die Meinung sagten und dann Bücher verbrannt wurden. Alles sehr spannend und ausdrucksstark, so dass man die Sprache gar nicht unbedingt verstehen musste.
Man muss dazu wissen, dass vor allem in der Region um Oudtshoorn fast ausschließlich weiße Afrikaaner wohnen ('Buren'), die teilweise noch heute ziemlich rassistisch denken.
Schwarze habe ich in Oudtshoorn so gut wie gar nicht gesehen, eigentlich nur als Müllmänner oder Kellner, und ich wurde überall auf Afrikaans angesprochen - anders als in Kapstadt, wo man als Weiße überall auf Englisch angesprochen wird.
Als ich mit den schwarzen Tänzern des Stücks durch die Straßen gegangen bin, wurden wir schräg angeschaut, weil man hier so gut wie nie Weiße und Schwarze zusammen sieht, und einmal wurde uns sogar "Black and White" hinterher gerufen. Ganz schön krass finde ich das, und ich war ziemlich geschockt. So etwas kennt man überhaupt nicht von Kapstadt.
Ziemlich rückschrittiges Denken, was man überhaupt nicht verstehen kann...wir habens ignoriert.
Und hatten ein paar sehr schöne entspannte Tage, bis es Sonntag wieder zurück nach Kapstadt ging :)



 Eine Sonnenuntergangs Session in Camps Bay:
immer wieder traumhaft!
Gestern war es so heiß (35 Grad), dass man erst nachmittags an den Strand gehen konnte

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