Dienstag, 22. Oktober 2013

Die andere Seite der schönen Stadt

Heute hat einer der Bridging Students erzählt, dass einer seiner Freunde ermordet wurde. Er selbst wurde schon oft überfallen und hat Narben von Messerstichen. In Margies Ballettklasse kam ein Junge zu spät, weil er überfallen wurde. Vor ein paar Wochen ist das Zuhause eines anderen Jungen abgebrannt.
Die Liste kann vermutlich noch sehr lange weiter geführt werden.
Was man zuhause nur aus den Medien kennt, ist hier auf einmal sehr real und nah. Das schlimme ist, was zuhause ganz groß in den Medien wäre, ist hier fast Alltag.
Alle Schüler, denen das Gesagte zugestoßen ist, kamen direkt danach zur Tanzschule, als ob nichts gewesen ist. Ich bewundere sie für ihre Stärke. Vermutlich haben sie auch gelernt, schnell zu vergessen.
Ich muss schon schlucken und bin schockiert, wenn ich von diesen schlimmen Dingen erzählt bekomme, aber ich versuche, sie nicht zu sehr an mich heranzulassen.
Trotzdem hat es etwas in mir verändert. Ich schätze es jetzt noch viel mehr, dass ich in einem behüteten Umfeld aufgewachsen bin, ein sicheres Leben habe und ein festes Dach über dem Kopf.
In dem Haus in Obs zu leben kommt mir immer mehr wie richtiger Luxus vor, je öfter ich ins Township fahre.
Hope und Lorraine, die im Township Gugulethu leben, haben Lucas und mir schon viel von ihrem Leben berichtet.
Ich liebe es, wenn sie von ihrer Gemeinschaft, ihren lustigen Feiern und ihren Ritualen erzählen und uns auch deutlich machen, dass das Leben im Township zwar ein einfaches, aber auch ein sehr herzliches und fröhliches ist.
Hier lässt sich wirklich kaum etwas vereinfacht darstellen. Zu sagen, dass man im Township ein schlechteres Leben als zum Beispiel in Camps Bay hat, wäre viel zu kurz gedacht. Zu sagen, dass schwarze in den Townships und weiße in den Villen wohnen, stimmt auch nicht. Und auch mit den Sprachen kann man sich nie so sicher sein.
Es scheint also kompliziert.
Andererseits haben die Kapstädter so eine easy-going Mentalität, mit der jedes Problem gelöst werden kann, beziehungsweise es gar nicht erst als Problem angesehen wird.
Wenn nichts hilft, geht man einfach weg. Die Aussage fand ich erst lustig, aber nachdem einer der Mitarbeiter bei DFA einfach aus dem Raum gegangen ist, nachdem er um etwas gebeten worden ist, hat Margie mir ganz ernsthaft erklärt, dass diese Arbeitshaltung typisch südafrikanisch und ziemlich problematisch ist.

Ihr seht, hier ist alles nicht so einfach. Mal sehen, wann ich hier den Durchblick habe und auch die extremen Kontraste einigermaßen begreifen kann.

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